Squid Game: Ein erschreckender Blick auf die Gesellschaft
- Koreaboo Detox
- 23. Jan.
- 7 Min. Lesezeit
Die südkoreanische Netflixserie Squid Game, hat 2021 weltweit für Furore gesorgt. Sie erzählt die Geschichte von 456 verzweifelten Menschen, die bereit sind, ihr Leben in gefährlichen Kinderspielen aufs Spiel zu setzen, um ein immenses Preisgeld zu gewinnen. Doch hinter der spannenden und brutalen Handlung verbirgt sich eine tiefere Gesellschaftskritik, die uns alle betrifft.

Die Serie zeigt eine Welt, in der Armut, Schulden und Ungleichheit so drückend sind, dass Menschen keine andere Wahl sehen, als ihr Leben zu riskieren. Sie reflektiert damit den Druck, den das kapitalistische System auf die Schwächsten ausübt. Die Spieler kommen aus allen Schichten der Gesellschaft – verschuldete Geschäftsleute, alleinerziehende Mütter oder Migranten, die nach einem besseren Leben suchen. Ihr gemeinsamer Nenner ist die Verzweiflung.
Besonders eindrucksvoll ist die Symbolik der Kinderspiele. Diese unschuldigen Spiele, die jeder aus seiner Kindheit kennt, werden in Squid Game zu tödlichen Prüfungen. Dies zeigt, wie ein vermeintlich sicherer Raum durch Macht und Profitstreben zerstört werden kann. Es erinnert uns daran, wie oft unschuldige Träume und Hoffnungen durch soziale und wirtschaftliche Zwänge erstickt werden.
Eine zentrale Figur, der Protagonist Seong Gi-hun, ist kein klassischer Held. Er ist ein Anti-Held – verschuldet, überfordert und dennoch mit einem Rest an Mitgefühl ausgestattet. Seine Entwicklung zeigt, wie Menschen selbst in den extremsten Situationen noch Empathie und Moral zeigen können, wenn sie den Mut dazu haben.
Die Masken der Wächter und die hierarchische Struktur des Spiels werfen außerdem Fragen über Überwachung und Macht auf. Wer zieht im Hintergrund die Fäden? Und was motiviert diese menschenverachtenden Spiele? Die Serie lässt uns mit einem mulmigen Gefühl zurück: Sie erinnert daran, wie oft wir selbst Teil eines Systems sind, das auf Kosten anderer funktioniert.
Was Squid Game so erschütternd macht, ist, wie real es sich anfühlt. Natürlich, die Spiele sind übertrieben brutal und dramatisch – aber die Motive der Teilnehmer und die Ungerechtigkeiten, die sie antreiben, sind leider allzu vertraut. Armut, Verzweiflung und die Sehnsucht nach einem besseren Leben sind universelle Themen.
Am Ende fordert uns Squid Game dazu auf, innezuhalten und nachzudenken. Wie weit würden wir selbst gehen, um aus einer ausweglosen Situation zu entkommen? Und wie viel Verantwortung tragen wir für die gesellschaftlichen Systeme, die solche Verzweiflung hervorrufen?
Squid Game ist mehr als nur eine Serie. Es ist ein Spiegel, der uns zeigt, wie dünn der Grat zwischen Menschlichkeit und Grausamkeit wirklich ist.
Hwang Dong-hyuk: Der Schöpfer hinter Squid Game
Hwang Dong-hyuk ist der kreative Kopf hinter der Idee zum Film. Geboren am 26. Mai 1971 in Seoul, Südkorea, machte er sich zunächst als Drehbuchautor und Regisseur für Filme einen Namen, bevor er mit seiner Netflix-Serie 2021 weltweit berühmt wurde. Doch der Weg zu diesem Erfolg war alles andere als leicht.

Hwang studierte ursprünglich Kommunikationswissenschaften an der Seoul National University, einer der angesehensten Hochschulen Südkoreas. Während seines Studiums entwickelte er ein Interesse an Filmemachen und schrieb erste Drehbücher. Später zog er in die USA, um ein Studium an der University of Southern California (USC) in Filmproduktion zu absolvieren. Dort produzierte er einige Kurzfilme, die bei Filmfestivals Aufmerksamkeit erregten.
Sein Durchbruch als Filmemacher in Südkorea kam mit dem Drama My Father (2007), einer bewegenden Geschichte über einen adoptierten Mann, der nach seinen biologischen Eltern sucht. Es folgten weitere hochgelobte Filme wie Silenced (2011), ein erschütterndes Werk über Missbrauchsskandale an einer Schule für Gehörlose, und Miss Granny (2014), eine tragikomische Komödie über eine ältere Frau, die plötzlich wieder jung wird. Diese Filme zeichneten sich durch ihre gesellschaftskritischen Themen und emotionale Tiefe aus, Eigenschaften, die später auch in Squid Game deutlich zu sehen sind.
Die Entstehung von Squid Game
Die Idee zu Squid Game entstand 2008, als Hwang selbst in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Er hatte Schulden und musste sogar seine eigene Wohnung verkaufen. Während dieser Zeit verbrachte er viel Zeit in Bibliotheken und las Werke wie Battle Royale von Koushun Takami und The Lottery von Shirley Jackson, die beide von tödlichen Spielen in einer dystopischen Gesellschaft handeln. Diese Geschichten inspirierten ihn dazu, ein Drehbuch über eine Gruppe von Menschen zu schreiben, die in verzweifelten Situationen gefährliche Spiele spielen müssen.
Ursprünglich wurde das Konzept von Squid Game von vielen Studios abgelehnt. Produzenten hielten die Geschichte für zu gewalttätig, zu düster und zu unrealistisch. Der wahre Grund war wohl eher das hohe Maß an Gesellschaftskritik. Hwang legte das Projekt für mehr als ein Jahrzehnt auf Eis und widmete sich anderen Filmprojekten. Doch die zunehmende Ungleichheit in der Weltwirtschaft, verstärkt durch die COVID-19-Pandemie, ließ die Themen des Drehbuchs aktueller erscheinen denn je. Netflix erkannte das Potenzial und gab 2019 grünes Licht für die Produktion.
Ein globaler Erfolg
Als Squid Game im September 2021 auf Netflix veröffentlicht wurde, ahnte Hwang nicht, dass es eine der erfolgreichsten Serien aller Zeiten werden würde. Innerhalb weniger Wochen brach die Serie sämtliche Rekorde: Sie wurde in über 90 Ländern zur meistgesehenen Serie und erreichte mehr als 100 Millionen Zuschauer in nur 28 Tagen.
Hwang war überwältigt von dem Erfolg. In Interviews betonte er, dass die Serie zwar auf südkoreanischen Erfahrungen basiere, ihre Botschaften jedoch universell seien. Themen wie Armut, soziale Ungleichheit und der Kampf ums Überleben resonierten mit Menschen auf der ganzen Welt.
Ein anspruchsvoller Schaffensprozess
Die Produktion von Squid Game war jedoch alles andere als einfach. Hwang schrieb nicht nur das Drehbuch, sondern führte auch Regie und war an nahezu allen kreativen Entscheidungen beteiligt. In Interviews sprach er über die körperlichen und mentalen Herausforderungen während der Dreharbeiten. Er verlor sechs Zähne durch Stress und Druck. Dennoch blieb er seiner Vision treu und schuf eine Serie, die für ihre visuelle Ästhetik, tiefgründige Charaktere und packende Erzählung gefeiert wurde.
Ausblick
Nach dem Erfolg von Squid Game plant Hwang neue Projekte, darunter eine mögliche dritte Staffel der Serie nach der eben erschienen 2. Staffel. In einem Interview sagte er, dass er jetzt die finanzielle Stabilität habe, um kreativer und freier zu arbeiten. Gleichzeitig ist er sich der Verantwortung bewusst, die mit seinem plötzlichen Ruhm einhergeht. Er möchte Geschichten erzählen, die nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken anregen.
Parallelen zwischen Squid Game und der koreanischen Gesellschaft: Gesellschaftskritik in jeder Szene
Squid Game ist weit mehr als eine Serie über brutale Spiele. Sie fungiert als Spiegelbild der südkoreanischen Gesellschaft und thematisiert sowohl offensichtliche als auch subtil versteckte Missstände. Die Serie beleuchtet soziale Ungleichheit, wirtschaftlichen Druck, Arbeitskultur, Migration, und den Verlust menschlicher Werte – Aspekte, die in Südkorea tief verwurzelt sind.
1. Wirtschaftliche Ungleichheit und Schuldenkrise
Eines der zentralen Themen in Squid Game ist die Schuldenlast der Charaktere. Jede der 456 Personen im Spiel befindet sich in einer finanziellen Notlage, die sie zur Teilnahme zwingt. In Südkorea sind Schulden ein weit verbreitetes Problem. Viele Bürger greifen auf Kredite zurück, um Studiengebühren, Immobilien oder medizinische Kosten zu decken. Die rasante wirtschaftliche Entwicklung des Landes in den letzten Jahrzehnten hat zwar eine wohlhabende Oberschicht hervorgebracht, doch große Teile der Bevölkerung leiden unter einem ständig wachsenden Wohlstandsgefälle.
Ein Beispiel dafür ist der Hauptcharakter Seong Gi-hun, ein verschuldeter, geschiedener Mann, der nicht in der Lage ist, die Krankenhauskosten seiner Mutter zu bezahlen oder seiner Tochter ein besseres Leben zu bieten. Seine Situation repräsentiert viele Südkoreaner, die sich in einem Teufelskreis aus Schulden und gesellschaftlichem Druck gefangen fühlen.
Die Serie zeigt auch die brutalen Konsequenzen dieser finanziellen Ungleichheit. Während die Reichen, symbolisiert durch die VIPs, das Spiel als Unterhaltung genießen, kämpfen die Spieler ums Überleben. Diese Darstellung wirft die Frage auf, ob die finanziell Stärkeren nicht oft auf Kosten der Schwächeren profitieren.
2. Leistungsdruck und soziale Hierarchie
Südkorea ist bekannt für seine wettbewerbsorientierte Gesellschaft. Vom Bildungssystem bis zur Arbeitswelt wird enormer Druck auf Individuen ausgeübt, erfolgreich zu sein. Diese Kultur spiegelt sich in den tödlichen Spielen von Squid Game wider, wo die Teilnehmer gezwungen sind, gegeneinander anzutreten, um zu überleben.
Das Konzept der Hierarchie wird in der Serie mehrfach aufgegriffen. Die Spieler werden mit Nummern statt Namen bezeichnet, was ihre Identität entmenschlicht. Die Wächter, die das Spiel überwachen, sind in einer strengen Rangordnung organisiert, und die VIPs stehen an der Spitze der Pyramide. Diese Struktur ähnelt der südkoreanischen Arbeitswelt, wo Machtmissbrauch und starre Hierarchien häufig vorkommen.
3. Armut und fehlende soziale Mobilität
Ein weiteres wichtiges Thema in Squid Game ist die fehlende Möglichkeit, soziale und wirtschaftliche Barrieren zu überwinden. Trotz der schnellen Modernisierung und des technologischen Fortschritts bleibt Südkorea ein Land, in dem der soziale Aufstieg für die unteren Schichten nahezu unmöglich ist. Die Teilnehmer des Spiels kommen aus verschiedenen Hintergründen, doch ihre Geschichten ähneln sich: Sie alle sehen sich mit einem System konfrontiert, das sie scheitern lässt.
Kang Sae-byeok, eine nordkoreanische Überläuferin, repräsentiert dabei die Kämpfe von Migranten und Flüchtlingen. Obwohl sie nach Südkorea geflüchtet ist, findet sie sich in einem Land wieder, das sie ausgrenzt und ihr keine Perspektive bietet. Dies ist eine Anspielung auf die realen Herausforderungen, denen nordkoreanische Flüchtlinge und Arbeitsmigranten in Südkorea gegenüberstehen.
4. Macht und Unterdrückung
Die VIPs, die das tödliche Spiel als Unterhaltung konsumieren, stehen für die ultra-reiche Elite, die in einer Parallelwelt lebt und das Leid der unteren Schichten ignoriert. Diese Charaktere verdeutlichen die zunehmende Entfremdung zwischen den Wohlhabenden und den weniger Privilegierten.
Zudem werfen die Spiele selbst Fragen nach moralischer Verantwortung auf. Das „Green Light, Red Light“-Spiel zeigt, wie schnell Menschen bereit sind, andere zu opfern, um zu überleben. Dies kann als Kritik an der Individualisierung und dem Verlust von Gemeinschaftsgefühl in Südkorea gesehen werden.
5. Kritik an kapitalistischer Ausbeutung
Die gesamte Struktur von Squid Game ist eine Metapher für den Kapitalismus. Die Spieler treten gegeneinander an, angetrieben von der Aussicht auf finanziellen Gewinn, ähnlich wie Arbeitnehmer, die in einer von Konkurrenz geprägten Welt um begrenzte Ressourcen kämpfen. Der riesige "Goldtopf", der über den Spielern hängt, symbolisiert das Versprechen des Kapitalismus: Erfolg und Wohlstand, wenn man nur hart genug kämpft. Doch die Serie zeigt deutlich, dass dieses Versprechen für die meisten eine Illusion bleibt.
6. Visuelle und kulturelle Symbole
Die Ästhetik der Serie, von den knallbunten Spielfeldern bis zu den uniformierten Wächtern, trägt ebenfalls zur Gesellschaftskritik bei. Die Verwendung von Kinderspielen wie „Rotes Licht, Grünes Licht“ oder „Dalgona“ zeigt, wie unschuldige Traditionen durch das System korrumpiert werden können. Diese Spiele erinnern an die Kindheit der Zuschauer und kontrastieren scharf mit der grausamen Realität der Spiele.
Auch die Masken der VIPs und Wächter sind ein starkes Symbol. Sie anonymisieren die Täter und lenken die Aufmerksamkeit darauf, dass das System selbst das wahre Problem ist, nicht nur die Personen, die es kontrollieren.
Fazit Squid Game ist nicht nur eine spannende Serie, sondern eine tiefgreifende Analyse der koreanischen Gesellschaft. Es hält dem modernen Südkorea einen Spiegel vor. Die Themen der Serie – wirtschaftliche Ungleichheit, sozialer Druck, und moralische Fragen – sind universell, doch ihre Wurzeln in der südkoreanischen Realität machen sie besonders eindringlich. Squid Game fordert die Zuschauer dazu auf, über die Strukturen nachzudenken, die unser Leben bestimmen, und darüber, welche Rolle sie selbst in diesem System spielen.
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